„Bis er wieder tanzt“ – Mikis Theodorakis – Erinnerungen

 

 

„Bis er wieder tanzt“
Mikis Theodorakis – Erinnerungen

 

 

Den bitteren Jahren des Zweiten Weltkrieges folgten in Griechenland keine Aufbau- und Friedensjahre. Der bis 1949 andauernde blutige Bürgerkrieg zerriss Griechenland und überzog das Land mit Hass, Mord, Folter und Terror. Die Sieger des Bürgerkrieges, die monarchistischen und rechtsnationalistischen Kräfte, setzten nach 1949 weiter auf einen Kurs der Unterdrückung und Verfolgung von Menschen, die sich nicht in ihrem Sinne konform verhielten. 10.000tausende flohen in der Folge ins Ausland, um ihr Leben zu retten.Die politischen und menschlichen Folgen des Bürgerkrieges blieben lebendig bis in die 60er Jahre.
Als Mitte der 60er Jahre dann die demokratischen Kräfte Griechenlands langsam Oberhand gewannen, setzten die Obristen 1967 mit ihrem vom Königshaus geförderten Putsch dieser Entwicklung ein jähes Ende. Die Obristen konnten dabei auf einen Staats- und Polizeiapparat setzen, der im Geiste des kalten Krieges arbeitete und in dem das Denken der Bürgerkriegszeit weitgehend ungebrochen war. Erst nach 1974 und dem jämmerlichen Scheitern der Junta-Clique begann der eigentliche demokratische Aufbau Griechenlands und die Herausbildung einer Zivilgesellschaft in der der politische Gegner nicht mehr der Feind war, dem man blutig bekämpfen musste.Wer heute Griechenland besucht und ein lebendiges stabiles demokratisches Land erlebt, kann sich kaum vorstellen, dass diese Demokratie noch nicht einmal 30 Jahre alt ist. Und dies in einem Land, von dem behauptet wird, dass hier in der Antike die Demokratie entstanden ist.

Mikis Theodorakis, der Musiker, der Komponist und Dirigent, dessen Musik auf unvergleichliche Weise Griechenlands Seele verkörpert, hilft mit seinem Buch „Bis er wieder tanzt“ die Zeit des endenden Bürgerkrieges und seiner Folgejahre auf ungewohnte Weise zu erfühlen und zu verstehen.

Zwei Jahre seines Lebens schildert Mikis in Episoden und Rückblicken, verwoben mit der weit ins Mittelalter zurückreichenden Geschichten seiner Familie. Diese zwei Jahre werden als die kretischen Jahre des Mikis Theodorakis bezeichnet.

Mit dem Buch „Die Wege des Erzengels“ (Autobiographie 1925-1949, Insel, 1995) hatte Theodorakis insbesondere die Jahre des Widerstandes gegen die deutschen Besatzer und des dem Zweiten Weltkrieg folgenden griechischen Bürgerkrieges beschrieben. An diese Zeit knüpft er nun mit seinem neuen Buch an.

Die Liebe zur Heimatinsel seiner Vorfahren väterlicherseits – Kreta – durchzieht das Buch wie ein roter Faden. Der Alexis Zorbas von Nikos Kazantzakis, dem Theodorakis mit seiner legendären Filmmusik unsterbliches Leben einhauchte, scheint ein Theodorakis gewesen zu sein. Unverkennbar ist jene Lebensfreude, die den Schicksalsschlägen trotzt und mit denen auch schwierigste Hürden genommen werden.

Der Schriftsteller Theodorakis hat keine trockene Biographie verfasst. Dieses Buch ist vielmehr in einer lebendigen Sprache geschrieben, die uns entführt und verführt, die uns mitleiden und mitleben lässt. Wie mit seiner Musik kann Theodorakis auch mit seiner Sprache die griechische Welt öffnen und uns darin tief eintauchen lassen.

Dabei ist der konkrete Hintergrund dieser Jahre weder romantisch noch lustig. Theodorakis war als junger Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung Griechenlands zu einem überzeugten Anhänger der politischen Linken geworden und im Bürgerkrieg hatte er auf Seiten der Linken gekämpft. Er wurde wegen dieser Haltung verhaftet, auf der KZ Insel Makronisos eingesperrt und gefoltert. Ihm wurde ein Bein gebrochen. Nach seiner Haft-Entlassung 1949 fuhr er zu seiner Familie auf Kreta. Dort wurde er wieder verhaftet und gefoltert. Erneut wurde ihm dabei sein Bein gebrochen. Seine Familie befreite ihn aus der Gefangenschaft und er blieb zwei Jahre auf Kreta, wo er auch seine musikalische Laufbahn begann.

In vielen kleinen verwobenen Anecktoden und Geschichten wird die Familie vorgestellt, die eng mit der Entwicklung Griechenlands und Kretas verbunden ist.

So gehören zu seinen Vorfahren Georgios Spiridakis, der Anführer der Aufständischen gegen die osmanische Herrschaft in Chania. Vasilios Chalis war der erste Bürgermeister des befreiten Nafplion im Jahr 1830. Stefanos Chalis war kretischer Musiker und Komponist des kretischen Volksliedes „Wann wird wieder sternklare Nacht sein“. Die Mischung von Politik und Musik liegt Theodorakis offensichtlich im Blut.

Und Mikis nimmt in seinem Buch kein Blatt vor dem Mund. Dies gilt für die Schilderung der blutigen Geschichte Kretas und des Kampfes der Türken und Griechen in die seine Familie verwoben war. Aber auch in den persönlichen und erotischen Dingen ist Theodorakis ein Freund der offenen Sprache.

Und Mikis nennt Leid und Verbrechen beim Namen, nicht nur wenn sie Griechen geschehen. So erfahren wir vom Schicksal eines jungen türkischen Mädchens, dem während eines griechischen Massakers in einem türkischen Dorf die Gnade zu Teil wurde, dass sie nicht erschlagen sondern ihr nur die Zunge herausgeschnitten wurde, damit sie nicht dem Pascha berichten konnte. Dieses Mädchen verschlug es in den Wirren des Krieges in die Theodorakis Familie, wo sie später einheiratete und so türkisches Blut in dieses urkretische Sippe brachte.

Und die Geschichte der Balkankriege wird auch dadurch erlebbar, dass Mikis von einem der Söhne dieser kretischen Türkin berichtet, der als griechischer Soldat im Krieg von 1912 zu den Wachmannschaften von 10.000 türkischen Kriegsgefangenen gehörte, die auf einem Todesmarsch vom Norden nach Attika geführt wurden. Diese 10.000 Kriegsgefangenen, so berichtet Theodorakis, wurden dann mit Booten auf die wasserlose und völlig kahle Insel Makronisos übergesetzt und dort sich selbst überlassen. Sie sind dort ohne Ausnahme jämmerlich verhungert und verdurstet. Als Jahrzehnte später die Insel zur KZ Insel wurde, fanden die Häftlinge auf der Insel verstreut die Gebeine der türkischen Gefangenen und fragten sich verwundert, wer diese Menschen wohl gewesen sind.

Und dann sind da natürlich die vielen Tausende Griechen, die auf Kreta von der osmanischen Besatzungsmacht auf furchtbare Art und Weise gemartert, erschlagen oder versklavt wurden. Mikis berichtet über die Spirale der Gewalt und des Hasses und es wird immer deutlicher, woher seine Entschlossenheit stammt, diese Gewalt zu überwinden.

Aber niemals verliert sich das Buch in politischen Belehrungen. Seine Schilderungen der historischen Hintergründe helfen die Menschen, die uns begegnen, zu verstehen und ihre Verankerung mit ihrer Heimat zu erspüren.

Als Mikis Theodorakis 1949 mit gebrochenem Bein zu seiner Familie zurückkehrt, bittet er die Frauen ihn gesund zu pflegen „bis er wieder tanzt“. Und dies geschieht so. Der Mikis, der 1951 die Fähre nach Piräus besteigt, um zum Studium nach Athen zu fahren, ist ein gereifter und veränderter Mensch.

Wenn man dieses Buch zu Ende gelesen hat und anschließend seine Musik hört, dann ist diese noch intensiver und näher als zuvor. Zumindest mir ist es so gegangen.

Mikis Theodorakis

Erinnerungen – Bis er wieder tanzt

(Aus dem Griechischen übersetzt von Asteris und Ina Kutulas)

Insel Verlag

Frankfurt/Main und Leipzig

ISBN 3-458-17091-X (Hardcover)

Preis € 19,80

 

Christian Schwarzenholz

Das Kochbuch „Griechenland“ aus der Reihe Culinaria

 

Das Kochbuch „Griechenland“ aus der Reihe Culinaria

 

Das neue Kochbuch aus der Serie Culinaria widmet sich Griechenland. Wer die Serie Culinaria kennt, weiß, dass es viel mehr als nur Kochbücher sind. Außer sehr schönen und ungewöhnlichen Rezepten und einer ausgezeichneten Bebilderung ist dies Kochbuch außer einem Kochbuch gleichzeitig ein Reiseführer und ein kleines Warenkunde-Lexikon für die griechische Küche – und das auch noch zu einem sehr günstigen Preis.
Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit den verschiedenen Regionen Griechenlands und der landestypischen Küche. Man erkennt deutliche Unterschiede zwischen den Berg- und den Küstengebieten dieses von uns zu geliebten Landes. Zusätzlich erfährt man jedoch auch einiges über Waren, die in den jeweiligen Gebieten angebaut oder hergestellt werden. Wussten Sie zum Beispiel, dass in Griechenland Safran angebaut wird oder wie viele verschiedene Sorten Feigen es gibt? Das Buch informiert über die griechische Lebensart und die Essgewohnheiten der Griechen und mit seinen Rezepten macht es Lust zum Nachkochen. Wenn man in dem Buch blättert – wozu es übrigens einlädt – bekommt man einfach Lust auf Griechenland.

Das Buch Culinaria Griechenland ist erschienen im Könemann-Verlag und kostet ca. 49 DM im Fachhandel.

 

Athanassia Moudiou

 

 

„Die Frauen von Andros“ von Ioanna Karystiani

 

„Die Frauen von Andros“ von Ioanna Karystiani

 

Als ich den letzten Satz des Buches gelesen hatte, war ich traurig, dass es zu Ende war; ich hätte die Frauen gern noch länger begleitet. Ioanna Karystianis ist ein packendes spannendes und für mich informatives Buch gelungen. Eine Familien- und Seefahrergeschichte, wuchtig, dramatisch wie eine antike Tragödie. Es spielt sich in den Jahren 1927 – 1948 ab und erzählt die unglückliche Liebesgeschichte zweier Schwestern, Orsa und Masha, die beide Spiros, den jungen Kapitän, lieben.

Orsa wird von ihrer in Laufe des Lebens verhärteten Mutter wegen der Familientradition mit einem ungeliebten Mann verheiratet, Masha bekommt Spiros. Das Geflecht von Liebe, Hass, Eifersucht und Resignation, das Geflecht der Beziehungen zwischen Eheleuten, Verwandten, Freunden, die Einsamkeit der Menschen beschreibt Karystiani in sinnlicher bilderhafter Sprache.

Dieses Buch hat nichts von Sonne, Sommer, Meer. Es zeigt die unerfüllten Sehnsüchte, die Härte des Lebens dieser Menschen, die dem Schicksal ausgeliefert sind. Das ist Griechenland – jedoch wie wir es vielleicht kaum kennen.

Ein anderer Aspekt, der für mich interessant war, ist, wie die Frauen und Seefahrer den Zweiten Weltkrieg erlebt haben – auch hier unerbittlich dem Meer und dem Krieg ausgeliefert. Ich kenne gut die griechische Geschichte während der deutschen Besatzungszeit auf dem Festland, auf Kreta; in diesem Buch ergeben sich völlig neue Blickwinkel. Hier geht es um den Krieg auf den Weltmeeren, in den die Griechen als Seefahrernation verstrickt sind.

Ich habe dieses Buch nicht nur als mitreißende Lektüre erlebt, sondern auch als sehr lehrreich.

Ionna Karystiani ist 1952 in Chania Kreta geboren und lebt als Journalistin, Cartoonistin und Drehbuch-Autorin in Athen und auf Andros. Die Frauen auf Andros war ihr erster Roman. Er stand monatelang ganz oben auf den Bestsellerlisten in Griechenland und bekam 1998 den griechischen Staatspreis für Literatur.

Die Frauen von Andros, Suhrkamp Verlag, ISBN 3-518-39964-0, 10,00 €

 

Gisela Abel

 

„Die Griechen pauschal“ von Alexandra Fiada aus dem Fischer Verlag

 

„Die Griechen pauschal“ von Alexandra Fiada aus dem Fischer Verlag

 

Das kleine Taschenbuch von der in England lebenden Griechin lässt uns so manches Mal laut lachen, wenn man vieles von dem Beschriebenen in Erlebnissen und Menschen wiedererkennt – als Grieche sogar bei sich selbst. Die Autorin bekommt es gut hin zwischen Ironie und einem Augenzwinkern zu balancieren und niemand kann ihr das Geschriebene wirklich übel nehmen. Und am Ende des Buches steht sowieso fest, dass die Griechen trotz ihrer vielen Schrulligkeiten im Grunde genommen oft die beste Wahl darstellen.

 

Athanassia Moudiou

 

Die Türkei auf dem Weg nach Europa

 

Die Türkei auf dem Weg nach Europa

 

Im Dezember haben die Regierungschefs entschieden, dass mit der Türkei ab 03.10.05 Verhandlungen über die Aufnahme in die EU begonnen werden sollen.Die Gegner eines Beitrittes führen folgende Argumente ins Feld: Diskriminierung der Kurden, Verletzung der Menschenrechte, starker Einfluss der Militärs, ein islamisches Land gehöre nicht zum europäischen Kulturkreis und die Überforderung der EU nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht.

Die Befürworter sehen in der Türkei einen Gewinn für den Wohlstand in ganz Europa. Der Beginn von Verhandlungen wäre für die Türkei die Option auf Wohlstandsgewinn, politische Stabilität, Freiheit und Demokratie.

Türkei-Experte Jürgen Gottschlich bereist das Land seit über 20 Jahren und lebt dort seit über fünf Jahren. Er hat in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen untersucht, was eine engere Kooperation für die Türkei einerseits und die EU andererseits bedeuten kann.

So porträtiert er die Anhänger des Staatsgründers Kemal Atatürk, die darauf achten, dass der 1923 eingeschlagene Weg einer Trennung von Staat und Religion beibehalten wird, genauso wie den islamisch geprägten Staatspräsidenten Erdogan, der für eine moderne Türkei mit europäischen Grundsätzen eintritt.

Behandelt werden die Rolle der Frau, die Situation der Menschenrechte, die Lebensbedingungen der Kurden, der wirtschaftliche Alltag.

Die außenpolitischen Perspektiven der friedlichen Integration eines islamischen Landes in die europäische Gemeinschaft werden als Chance dargestellt und als Antwort auf den vorgeblich unausweichlichem Kampf der Kulturen gegeneinander.

Eine Chronik der europäisch-türkischen Beziehungen in den letzten 500 Jahren komplettiert diesen kenntnisreichen Reportageband, heißt es in der Vorschau.

Das Buch “Die Türkei auf dem Weg nach Europa. Ein Land im Aufbruch” ist im Ch. Links Verlag Berlin erschienen, hat 184 Seiten und kostet 14,90 Euro (ISBN 3861533308).

 

Günter Schmidt