Kreta
Noch ein Reisebericht über Kreta. Trotzdem ist es mir Bedürfnis davon zu berichten. Es ist mir noch nie so viel Gastfreundschaft entgegengeschlagen wie auf Kreta. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, wie viel Raki ich den fünf Tagen getrunken habe, den man übrigens wegen seiner vielen Umdrehungen auch gut zum Grillanzünden verwenden kann.
Fünf Tage sind natürlich viel zu kurz, um die gesamte Insel zu erkunden, deshalb haben wir uns auf Zentralkreta konzentriert. Zwei Tage am Strand von Lendas ganz im Süden von Kreta dienten zum anfänglichen Erholen. In Lendas fühlt man sich in die Zeit der 68er zurückversetzt, wenn man sich die nicht mehr ganz so jungen Männern betrachtet, die auch gut die Hauptrolle in einem Monumentalfilm über die Leiden Christi besetzen könnten. Einer erschreckte mich gleich am ersten Morgen, als er aus seiner Basthütte ans Tageslicht „gekrochen“ kam, obwohl wir felsenfest davon überzeugt waren, daß dort kein menschliches Wesen hausen könnte. Sicher nichts für jedermann, die Ruhe und relative Einsamkeit in der schroffen Gegend von Lendas ist jedoch sehr reizvoll. Nun verließen wir den Süden und mit einem kleinen Schlenker über die kleine Hafenstadt Agia Galini fuhren wir durch idyllische Bergdörfer – wie zum Beispiel Melambes – und durch rauhe Berglandschaften mit ständig wechselnder Vegetation nach Rethymnon. Schön war es hinterher jedoch auch auf der fast völlig einsamen Dachterrasse des Restaurants zu sitzen, über die Berge zu blicken, die Kühle der Berge während der Mittagszeit zu genießen und die einheimischen Köstlichkeiten wie selbstgemachten Wein und Käse zu verspeisen. Weiter ging es über Anogia, wo die Deutschen während des zweiten Weltkrieges ein Blutbad angerichtet hatten, in die Berge. Völlig unerwartet trafen wir auf eine Statue, die aussah wie ein Mensch mit einem kleinen Bären, der als Wegweiser diente. Wir wußten zwar nicht, wohin der Schotterweg uns führen würde, stellten jedoch fest, daß es dort Reifenspuren gab. Also los! Nach einiger Fahrt, auf der uns ein paar Autos entgegenkamen, kamen wir an eine terrassenartige Anlage mit einer Kirche, die aus Steinen aus der Umgebung erbaut war. Sie ist genauso gebaut wie die Hütten der Schafhirten in der Gegend und es wurde dabei kein Mörtel verwendet. Ein älterer Mann schloß uns wortlos mit einem riesigen Schlüssel auf. Die Kirche ist ganz schlicht und in der Decke des Rundbaus ist Glas eingelassen. Selten war ich von einem Gotteshaus so ergriffen. Am Abend in Anogia erfuhren wir dann von den Einheimischen, daß es sich um die Kirche der Verliebten handelt, des Hl. Iakinthos. Sie steht erst seit zwei Jahren und am 4. Juli wird dort ein Fest mit verschiedenen Musikern stattfinden. Jetzt wird es aber Zeit, endlich auf die Kretaner zu sprechen zu kommen. Am Anfang hat man den Eindruck, daß die schwarz gekleideten, stolz wirkenden und finster dreinblickenden Männer eher unnahbar sind, aber das legt sich schnell und bald kommen auch die sehr zurückhaltend wirkenden Frauen näher und man kommt ins Gespräch. Am meisten hat mich das Gespräch mit dem Ehepaar beeindruckt, das am Marktplatz eine kleine Taverne führt. Sie erzählten uns vom Krieg und als die Frau, die selbst einen Bruder verloren hatte, ihre eigene Ergriffenheit schilderte, als sie den Soldatenfriedhof in Chania besuchte, wo auch 1800 Deutsche begraben liegen, mußte ich ganz schön mit den Tränen kämpfen. Diese jungen Burschen hätten doch auch nichts dafür gekonnt und seien genauso gestorben. Krieg sei immer schrecklich. Am nächsten Abend übernachteten wir in Kastelli auf dem Weg in die Lassithi Hochebene. Lieber hätten wir in einem kleineren Örtchen übernachtet, da uns Kastelli nicht sonderlich gefiel, aber wieder einmal landeten wir einen Volltreffer mit dem Hotel Kalliopi. Es war nicht nur das Hotel an sich, sondern vielmehr erneut die Gastfreundschaft des Besitzers, der uns zu seinem eigenen Wein mit ein paar Mezedes einlud und uns viel von kretanischem Olivenöl und Wein zu berichten wußte. Eine sehr empfehlenswerte Adresse, um von dort aus Ausflüge in die Umgegend zu starten und abends in eine familiäre Atmosphäre zurückzukehren. Die Kretaner sind wirklich ein beeindruckendes Volk mit ihrer augenscheinlichen Unnahbarkeit, die sich in eine maßlose Gastfreundschaft umkehrt. Es passierte uns ständig, daß man uns Raki, Wein und Käse anbot. Eine ältere Dame überschüttete uns mit Walnüssen und überall begleiteten uns gute Wünsche. Dabei war es gänzlich unabhängig vom Alter. Für mich steht fest, daß das sicherlich nicht mein letzter Besuch auf Kreta gewesen ist, wo mich neben der Gastfreundschaft vor allem die beeindruckende Bergwelt in ihren Bann gezogen hat. |
Athanassia Moudiou |
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